Marie wird Mannequin

Der Rhythmus der 1920er Jahre hatte es in sich. Mal sehen was Marie aus ihrem Großstadtleben weiter zu erzählen weiß. Der Briefmarkenstempel auf dem Brief zeigt den 23. Mai 1926 an.

 

Liebe Schwester,

 

die vielen kurzen Filmeinsätze waren keine solide Basis um weiterzukommen. Nachdem die Ufa mir klar gemacht hat, daß ich für größere Rollen nicht infrage komme, habe ich meine Fühler ausgestreckt, etwas anderes zu tun. Harry aus meinem Bekanntenkreis riet mir, es bei meinem Aussehen als Mannequin zu probieren. Diese Idee verfolgte ich, indem ich mich bei mehreren Modehäusern am Hausvogteiplatz vorstellte.

 

Erfolg hatte ich bei Glaser & Goetz, einem renommierten berliner Modeunternehmen. Mir fiel ein dicker Stein vom Herzen, als ich die Zusage hatte.

 

Das Präsentieren der aktuellen Mode, in der man sich gegenüber früher viel besser bewegen kann, macht viel Spaß. Man zeigt generell mehr Bein, da der Rocksaum immer höher angesetzt wird. Die Taille hingegen sink immer tiefer; dies finde ich nicht so gut, weil die Linie der Figur nicht mehr so betont wird. Auch bei den Farben wird man mutiger. Lila ist zum Beispiel eine ausgesprochene Modefarbe.

 

Hier mache ich wieder einen Break, um Ihnen das Lied "Es geht die Lou lila" vorzustellen. Die Musik stammt von Dr. Robert Katscher und der Text von dem Textergenie der 1920er Jahre Beda. Frau ... bitte.

 

Nach diesem flotten Song wieder weiter mit dem Brieftext:

 

Ich muß jetzt viel reisen, da die Präsentation der Mode nicht nur in Deutschland stattfindet, sondern auch in Österreich, der Schweiz, Frankreich und in Italien. So sehe ich viele neue Städte, lerne interessante Menschen kennen und erweitere meinen Sprachschatz. In Rom wurde ich auf einer Party sogar dem Duce vorgestellt.

 

Nach jeder Reise freue ich mich, meinen Georg wiederzusehen. Er spricht inzwischen davon, sich von seiner Frau zu trennen, um mich zu heiraten. Aber ich glaube, dies wird noch ein langer Weg bis dahin werden.

 

Viele liebe Grüße aus der Reichshauptstadt sendet Dir Deine Marie.

 

Abschließen will ich das Kapitel mit der 1. Strophe des Liedes "Zieh dich wieder an, Josefin", in der ein Ehemann mit dem Modefimmel seiner Frau kämpft. Die Musik stammt wieder von Dr. Robert Katscher und der Text von Arthur Rebner. Herr ... bitte

 

Nachrichtlich die Texte der Lieder:

 

1. "Es geht die Lou lila"

 

Jedes Jahr muß eine neue Mode sein,

denn gibt es keine neuen Kleider,

dann verhungern ja die Schneider,

und Frau Lou, die Schöne, Hochmondäne,

bringt das Neu'ste von der Seine.

Mittags auf dem Korso dann im Sonnenschein

führt sie die allerneu'ste Mode aus und ein:

 

Refrain:

Es geht die Lou lila,

von Kopf bis Schuh lila,

auch das Dessous lila,

das muß man sehn.

Sie hat den Hut Lila,

es steht ihr gut lila,

was sich da tut lila,

ist nicht mehr schön.

Sie braucht sich gar nicht die schönen Augen malen,

denn ihre Augen strahlen ultraviolett.

Es ist ihr Hemd lila,

wenn jemand kömmt lila,

macht sie die Lampe lila

beim lila Bett.

 

Alles hat Frau Lou in diesem Farbton,

das neue Auto und die Villa,

auch die Badewanne lila,

jede Seidenschlinge, alle Dinge,

lila selbst die Augenringe.

Lila vor den Augen wird dem Herrn Baron,

denn er bezahlt die ganze lila Kollektion:

 

Refrain

 

Lila, lila, lila alles geht nur so,

selbst in die Oper geht Frau Tilla

nur zu Samson und Dalila,

und es trägt in Posen auch Frau Rosen

lila Hut und Barchenthosen.

Und was tun die Affen,

die das sehn im Zoo:

Sie tragen lila,

wenn auch nicht grad am Chapeau:

 

Refrain

 

2. "Zieh dich wieder an, Josefin'!", 1. Strophe

 

Sag' mir nur, Josefin,

wo soll das alles hin?

Wieder ein neues Kleid!

Drei sind es heut'.

Am Vormittag, am Nachmittag, bei Nacht!

Mach mich nicht völlig wild,

bin ich der Vanderbilt?

Zeig' mir den Ehemann,

der heut ' noch kann

am Vormittag, am Nachmittag, bei Nacht!

Das ist ja schamlos,

das ist zu teuer

und wie du aussiehst,

das geht zu weit;

vorne ein Reiher, hinten ein Schleier,

das nennst du Abendkleid?

 

Refrain:

Zieh' dich wieder an, Josefin',

aber momentan, Josefin'!

Das ist kein Gewand, in dem man tanzt!

Das ist ja gemein, Josefin',

bildest du dir ein, Josefin',

daß du in dem Ding da ausgeh'n kannst?

Ist Dir denn nicht kalt, Josefin'?

Sind wir denn im Wald, Josefin'?

Vorne fällst du 'raus

und hinten nennst das vielleicht Toilett?

So geh' ich nicht aus, Josefin'!

bleiben wir zu Haus, Josefin'!

Zieh' dich wieder an und geh' ins Bett!

 

Von beiden Liedern gibt es Clips bei You Tube.